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Henrike Naumann

Kunst und Krieg

Als die extrem rechte AfD im Jahr 2017 ihre ersten großen Wahlerfolge erzielte, wurde in einem sächsischen Dorf ein Wandbild an der örtlichen Feuerwehr angebracht. Das Gemälde zeigt einen Feuerwehrmann mit NS-Wehrmachtshelm, der eine leicht bekleidete Frau aus einem brennenden Haus rettet. Die unter dem Bild angebrachte Inschrift „Anno 1940“ lässt keinen Zweifel zu, auf welche Epoche sich die Auftraggeber beziehen. Seitdem ist das Bild Teil der Normalität des Dorfes, und das einzige Kunstwerk im öffentlichen Raum.

Die Auseinandersetzung mit dem Bild und den ihm zugrundeliegenden Vorstellungen von Geschichte, Gegenwart und Zukunft haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. Vor allem die Frage danach, wie etwas für manche Menschen „normal“ sein kann und für viele andere Menschen zugleich unvorstellbar. Wie die Bezugnahme auf den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg unsere Gegenwart noch immer prägt. Wie kriegerische und völkische Normalität gesellschaftlich produziert wurde und wird, und wie in Zeiten politischer Spannungen und drohender Kriege verschiedene Realitäten gewaltvoll aufeinandertreffen. Auf welche Weise könnte jetzt und in Zukunft Kulturpolitik von vergangen geglaubten Vorstellungen geprägt werden?. Und ganz besonders, welche Rolle Kunst in diesen Prozessen spielen wird.

Ich gehe in meinem Projekt davon aus, dass politische Systeme und Ideenwelten wie Sozialismus, Kapitalismus oder Faschismus eigene künstlerische Ausdrucksformen in Bezug auf Kunst und Krieg hervorgebracht haben, die (vom Wohnzimmer über den Schützengraben bis zum Museum) unsere Gegenwarten prägen. Ich führe verschiedene Themen zusammen, mit denen ich mich seit mehreren Jahren auseinandersetze und die ich für relevant für das Verständnis der Gegenwart halte und unumgänglich für die Imagination von Zukunft.

I. Krieg
Möbel und materielle Ästhetik im alltäglichen Ausnahmezustand des Kriegs

II. Abstraktion
Formalismus und ästhetische Kämpfe im Sozialistischen Realismus

III. Faschismus
Visuelle Normalisierungsstrategien im Faschismus

In meiner künstlerisch-forschenden Praxis arbeite ich mit dem Auffinden und Arrangieren von Objekten und Räumen und ihre Übertragung in neue Kontexte mit inhaltlichen und politischen Bezügen, wobei ungewohnte Zusammenhänge entstehen. Durch diese Irritationen entstehen Räume für Auseinandersetzung und Debatten, die die bekannten gesellschaftlichen Diskursräume sprengen. Im Rahmen des zweijährigen Programms möchte ich anhand meines Projektes Kunst und Krieg diese Arbeitsweise als Methodik weiterentwickeln und ausformulieren. Im Forschungsverbund möchte ich diesen Prozess durch regelmäßige Veranstaltungen und Laborsituationen teilen und öffentlich machen.

Henrike Naumann wurde 1984 in Zwickau (DDR) geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin und London. Henrike Naumann reflektiert gesellschaftspolitische Probleme auf der Ebene von Design und Interieur und erkundet das Reibungsverhältnis entgegengesetzter politischer Meinungen im Umgang mit Geschmack und persönlicher Alltagsästhetik. In ihren immersiven Installationen arrangiert sie Möbel und Objekte zu szenografischen Räumen, in welche sie Video- und Soundarbeiten integriert. In Ostdeutschland aufgewachsen, erlebte Henrike Naumann in den 90er Jahren die extrem rechte Ideologie als dominante Jugendkultur. Ihre Praxis reflektiert die Mechanismen der Radikalisierung und deren Zusammenhang mit persönlicher Erfahrung. Obwohl sie in ihrer Arbeit intensiv mit deutscher Geschichte auseinandergesetzt hat, stellt Naumann diese Perspektive durch ihre Arbeit in verschiedenen internationalen Kontexten immer wieder in Frage. Ihre künstlerische Praxis wird von einer Vielzahl von Vorträgen und interdisziplinären Kooperationen begleitet, die die Fragestellungen ihrer Arbeit reflektieren.

 

Art and War

When the extreme right AfD achieved its first major electoral successes in 2017, a mural was painted to the building of the local fire brigade in a village in Saxony. The painting shows a firefighter in a Wehmacht military helmet rescuing an almost naked woman from a burning house. The inscription „Anno 1940“ below the painting leaves no doubt as to which era its referring to. Since then, the picture has been part of the normality of the village and the only work of art in the public space.

Since then, I have been fascinated by the painting and its underlying ideas of history, the present, and the future. Above all, I am interested in how something can be „normal“ for some people and at the same time unimaginable for many others. How references to National Socialism and the Second World War still characterise our present. How warlike normality was and is socially produced, and how different realities violently clash in times of political tensions and the threat of war. How cultural policy now and in the future could be shaped, by ideas believed to be in the past. And, in particular, what role art will play in these processes.

In my project, I assume that political systems and worlds of ideas such as socialism, capitalism, or fascism have produced their own artistic forms of expression in relation to art and war, which (from the living room to the trench to the museum) characterise our present. I bring together various themes that I have been dealing with for several years and that I consider relevant for understanding the present and essential for imagining the future.

I. War
Furniture and material aesthetics in the everyday state of emergency of war

II Abstraction
Formalism and aesthetic battles in Socialist Realism

III Fascism
Visual normalisation strategies in fascism

In my artistic-research practice, I work with finding and arranging objects and spaces and transferring them into new contexts, creating unfamiliar contexts. These irritations create spaces for discussion that go beyond the familiar social discourse. As part of the two-year programme, I would like to use my project Art and War to further develop and formulate this way of working as a methodology. In the research network, I would like to share this process through regular events and laboratory situations and make it public.

Henrike Naumann was born 1984 in Zwickau (GDR). She lives and works in Berlin and London. Henrike Naumann reflects socio-political problems on the level of interior design and domestic space and explores antagonistic political beliefs through the ambivalent aesthetics of personal taste. In her immersive installations she arranges furniture and home decor into scenographic spaces interspersed with video and sound work. Growing up in Eastern Germany, Naumann experienced far-right ideology as a predominant youth culture in the ’90s. Therefore, she is interested in the mechanisms of radicalization and how they are linked to personal experience. Although she has dealt intensively with German history in her work, Naumann constantly questions this perspective by working in different international contexts. Her artistic practice is accompanied by a wide range of lectures and interdisciplinary collaborations reflecting on the questions immanent in her work.